Eine
Zeichnung ist ein
Bild, das ein
Motiv in vereinfachender Weise mit Linien und Strichen darstellt. Das unterscheidet die Zeichnung von der
Malerei, die ein Motiv durch den Einsatz von
Farben und
Tonwerten
darstellt. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich als Fachausdruck für alle
nicht-malerischen zweidimensionalen Darstellungen der Ausdruck
Grafik etabliert. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass „zeichnen“ begriffsgeschichtlich mit „
Zeichen“ verwandt ist. Zur Grafik zählen neben der Zeichnung auch
Drucke,
Mosaike und
Sgraffito.
Nach der klassischen Auffassung betont eine Zeichnung im engeren
Sinne die Umrisslinien eines Motivs. Diese Linien können mit Hilfe von
weiteren Strichen (
Schraffuren) ergänzt werden, um einen räumlichen Eindruck zu erzeugen. Die Darstellung ist dabei entweder
monochrom oder verwendet vorgegebene
Farben,
die nicht vor dem Auftragen zusammengemischt werden. Heute kommen in
der künstlerischen Zeichnung allerdings zahlreiche Mischtechniken zum
Einsatz, durch die in der Praxis die akademische Grenze nicht immer
eindeutig zu ziehen ist. Bereits die Pinselzeichnung setzt neben Linien
und Strichen die
Lavierung als Darstellungsmittel ein.
In der Regel ist die künstlerische Zeichnung eine Handzeichnung (auch
Freihandzeichnung). Zeichnungen können aber auch mit Hilfsmitteln (
Lineale,
Schablonen) gestaltet werden; oft ist dies bei
technischen Zeichnungen der Fall.
Geschichte
Anfänge
Die Anfänge der Zeichnung fallen mit dem Beginn der menschlichen
Kulturgeschichte zusammen. Älteste Zeugnisse sind Felszeichnungen aus
der Zeit von ca. 20.000 v. Chr.. Motive sind vor allem die Jagd, der
Krieg und vermutlich
magische Symbole.
Es wird angenommen, dass diese Werke insgesamt religiös-magischen
Ursprungs sind, etwa um Einfluss zu nehmen auf den Ausgang der Jagd oder
kriegerische Auseinandersetzungen. Neben in den Fels geritzten
Zeichnungen haben die urzeitlichen Maler
Holzkohle, und aus Erden und Pflanzen gewonnene Mal- und Zeichenmittel wie
Ocker verwendet. Bedeutende Funde stammen aus dem spanischen
Altamira und dem französischen
Lascaux.
Alle späteren Hochkulturen haben Werke hervorgebracht, die auf der
Verwendung von Linien beruhen. Oft stehen diese Werke entweder in enger
Verbindung mit der Entwicklung der Schrift oder sind formalisierte
Zeichen und
Symbole
ohne individuellen Ausdruck. Eine bedeutsame Weiterentwicklung erfährt
die Zeichnung ab etwa 3000 v. Chr. in Ägypten und später im Römischen
Reich mit dem
Fresko,
einer dekorativen Wandmalerei, die oft Spuren von Vorzeichnungen
aufweisen. Zeichnerische Entwürfe für solche Fresken sind auf
Tonscherben (
Ostraka)
überliefert. Ab 1000 v. Chr. werden Tonvasen zu einem bedeutenden
Zeichnungsträger, insbesondere in der attischen Kultur. Zunächst wurden
Linien in den unbehandelten Ton geritzt. Aus späterer Zeit finden sich
aufwendig gestaltete Zeichnungen auf weiß grundierten Gefäßen. Aus der
schriftlichen Überlieferung ist bekannt, dass ab 500 v. Chr. im gesamten
Mittelmeerraum Zeichnungen auf grundiertem Holz und mit Silberstift auf
Pergament angefertigt wurden. Weil das Material aber leicht vergänglich
ist, sind keine Beispiele überliefert.
Mittelalter
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Mittelalterliche Buchmalerei aus dem Heidelberger Sachsenspiegel, um 1300 |
Im
Mittelalter hat die Zeichnung nicht nur Bedeutung als Mittel des Entwurfs für Malerei,
Skulptur und
Architektur, sondern gewinnt insbesondere in der
Buchmalerei
einen neuen Entwicklungshöhepunkt. Allerdings bleibt sie in ihrer
Funktion eingebunden, ist also nicht selbstständiges Kunstwerk.
Wichtigster Ausdruck der Zeichenkunst sind
Miniaturen und
Marginalzeichnungen
am Rande wertvoller Handschriften. Die meisterhafte Beherrschung findet
ihren Ausdruck insbesondere in den Handschriften iroschottischer und
italienischer Klöster und Abteien. Eines der wichtigsten Dokumente ist
das irische
Book of Kells aus dem 9. Jahrhundert. Mit der Möglichkeit der
Papierherstellung, das ab dem 14. Jahrhundert zunehmend an die Stelle des teuren
Pergaments
tritt, werden Studien und Übungszeichnungen möglich. In den
europäischen Malschulen sind Meisterzeichnungen und Skizzenbücher weit
verbreitet, die den Schülern als Vorlagen für ihr reproduzierendes
Schaffen nach den Malregeln des jeweiligen Meisters gelten. Obwohl für
die mittelalterlichen Buchillustrationen die Bezeichnung
Malerei üblich ist, handelt es sich in der Regel um kolorierte Zeichnungen, bei deren Erstellung Zeichner (
Adumbrator) und Maler (
Illuminator) nacheinander die
Illustration erstellten.
Neuzeit
Im 15. Jahrhundert beginnt die Zeichnung an Eigenständigkeit zu
gewinnen. Die wichtigste ästhetische Neuerung dieser Zeit ist die
Entwicklung der
Zentralperspektive,
die einhergeht mit einem neuen Bemühen um realistische Darstellung. Die
Antike und ihre Kunstwerke werden zum ästhetischen Ideal erhoben (
Renaissance).
Der Zeichnung kommt hier als Mittel des Studiums und als Entwurfsmedium
eine besondere Bedeutung zu. Zudem wird sie zu einem beliebten
Sammlerobjekt, was die reichhaltige Überlieferung seit dieser Zeit
erklärt.
Einen neuen Höhepunkt erreicht die Zeichnung in der italienischen Renaissance und insbesondere im
Manierismus.
Viele Zeichnungen sind in Skizzenbüchern enthalten, was darauf
verweist, dass die Zeichnung das bevorzugte Medium für bildliche Studien
war. In der Regel wird auf Papier gezeichnet, wobei Silberstift, Kohle,
Rötel und weiße Kreide zu den wichtigsten Zeichenwerkzeugen zählen.
Auch Feder, Pinsel und Tinte werden verwendet. Stilistisch lassen sich
deutliche Unterschiede zwischen Nord- und Südeuropa ausfindig machen.
Während in Südeuropa das künstlerische Leitmedium die Malerei ist, sind
es in Nordeuropa in besonderer Weise Drucke und Stiche. In den
Zeichnungen aus Deutschland und Holland ist dieser Einfluss
unverkennbar. In
Barockzeit und im
Rokoko dominiert aber auch im Norden die Malerei den Zeichenstil. Bedeutendster Zeichner diese Zeit ist
Rembrandt, der über 2000 Zeichnungen hinterlassen hat, meist Studien und Entwürfe.
Im 18. Jahrhundert geht ein neuer Entwicklungsimpuls für die
Zeichnung von der Neuentwicklung von Buntkreiden und Pastellfarben. Vor
allem
Antoine Watteau hat mit diesen neuen Medien experimentiert und eine prägende Formsprache entwickelt. Beliebte Sujets sind
Porträtstudien – Ausdruck der bürgerlichen Betonung des
Individuums
– und Landschaftszeichnungen. Die Zeichnung gewinnt immer stärker an
unterschiedlichen gestalterischen Elementen. Ausdruck dafür ist zum
Beispiel die enge Verbindung von Zeichnung und
Aquarell.
Moderne
Die moderne Zeichnung seit Ende des 19. Jahrhunderts ist geprägt
durch eine große Freiheit in der Wahl zeichnerischer Mittel. Die Grenze
zwischen Malerei und Zeichnung verwischt umso stärker, als die farbliche
Gestaltung etwa mit Hilfe von Pastellfarben und Kreiden oder die
plastische Gestaltung durch Verwischen und Verreiben die Eindeutigkeit
der Linie in den Hintergrund treten lassen. In einigen Richtungen, etwa
dem
Pointillismus und
Impressionismus,
scheinen zeichnerische Mittel ganz zu verschwinden. Im Expressionismus
weicht die Linie dem ausdruckstarken, dramatischen Strich. Auf der
anderen Seite finden sich zum Beispiel bei
Pablo Picasso
Gemälde, die aus nichts weiter als der Linie aufgebaut sind. Ob ein
Bild Zeichnung oder Malerei ist, lässt sich mit Hilfe der klassischen
Kriterien nicht mehr eindeutig beantworten. Das aber ist gerade ein Ziel
der unterschiedlichen Kunstbewegungen bis zur ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts: Die akademischen Formregeln sollen nicht mehr ohne
weiteres gelten.
Obwohl einige bedeutende Künstler seit Ende des 19. Jahrhundert immer
wieder Zeichnungen produziert haben, spricht man aufgrund der
Uneindeutigkeit der zeichnerischen Mittel von einer Krise der Zeichnung
in der Moderne. Die ästhetische Hochkultur konzentriert sich auf die
klassischen Modi Malerei, Skulptur und Architektur. Als eigenständiges
Medium erlangt die Zeichnung Bedeutung vor allem in der Populärkultur,
zum Beispiel in Gestalt der
Karikatur und des
Comic. Dessen ungeachtet ist die zeichnerische Produktivität seit Ende des Zweiten Weltkriegs ungebrochen. Zeichner wie
Alberto Giacometti,
Horst Janssen,
Gunter Böhmer und
A. R. Penck haben auf ihre Weise neue Impulse für die moderne Zeichnung gegeben.
Ostasiatische Zeichenkunst
Im ostasiatischen Raum, insbesondere in
China und
Japan, hat sich seit der
Tang-Dynastie
(6. Jahrhundert) eine Zeichenkunst entwickelt, die sich nur bedingt in
den europäischen Kategorien von Zeichnung und Malerei einordnen lässt.
Diese sogenannte
Tuschmalerei ist aus der chinesischen
Kalligrafie entstanden und entsteht unter der Verwendung von
Pinseln und schwarzer
Tusche bzw.
Ruß. Als Zeichentechniken dominieren die Pinselzeichnung und die Lavierung, weshalb der ostasiatische Tuschestil oft mit dem
Aquarell verglichen wird.
Als Begründer gilt der chinesische Dichter und Kalligraph
Wang Wei.
Ausgehend vom Pinselstrich beim Schreiben von Schriftzeichen
entwickelte er eine Zeichentechnik, die eine Landschaft auf ihre
wesentlichen Linien und Schattierungen reduziert. Bis ins 11.
Jahrhundert (
Song-Dynastie)
wird die Technik immer weiterentwickelt und verfeinert. Es entwickelt
sich ein reichhaltiges Formenvokabular, mit dem die Motive dargestellt
werden. Ab dem 12. Jahrhundert treten neben das Landschaftsmotiv weitere
Naturmotive und zunehmend auch Detailstudien. Oft werden kalligrafierte
Gedichte in die Bildgestaltung miteinbezogen.
Die Tuschezeichnung steht von Anfang an in enger Verbindung mit dem
Chan-
Buddhismus und ist deshalb zugleich eine
Meditationsübung. Ab dem 13. Jahrhundert bringen japanische Mönche, die in China den Chan-Buddhismus studierten, die Tuschezeichnung nach
Japan, wo sie unter dem Namen
Sumi-e zu einem wichtigen Bestandteil des
Zen-Buddhismus
wurde. Wie in China waren die meisten Zeichner keine Künstler, sondern
Mönche und Priester. Zunächst bleibt der japanische Stil dem
chinesischen sehr ähnlich, insbesondere was das Formenvokabular
betrifft. Mit
Sesshū Tōyō (1420–1506), auch er ein
Zen-Priester,
entwickelt sich allmählich ein eigener, japanischer Stil heraus, der
die klassischen Darstellungsformen zurücklässt und zunehmend
realistische Abbildungen anstrebt. Mit Sesshu wird Sumi-e zu einer
eigenständigen Kunstform, die allerdings den Zen-Hintergrund nie ganz
verlässt.
Die asiatische Tuschzeichnung hat auf die europäische Zeichnung und Malerei spätestens seit dem
Impressionismus eine starke Faszination ausgeübt. Maler und Zeichner wie
Degas,
Monet,
Picasso bis hin zu
Horst Janssen
haben sich in ihren Werken deutlich von der Tuschezeichnung inspirieren
lassen und selbst Werke insbesondere im Sumi-e-Stil geschaffen.
Theorie
Die Zeichnung betont die Linienführung und Umrisse eines
dargestellten Gegenstandes. Dabei ist die Linie als künstlerisches
Mittel selbst abstrakt. Insofern die Zeichnung Gegenstände
naturalistisch, d. h. „nach der
Natur“ darstellt, reduziert der Zeichner die Natur auf das für das Auge Wesentliche der
Wahrnehmung. Abstraktion und Reduktion von visuellen
Information
auf die bloße Kontur ist eine bedeutende intellektuelle Leistung.
Deshalb gilt die Schule der Zeichnung gemeinhin auch als Grundschule des
aufmerksamen und genauen Sehens.
Dennoch ist der eigenständige Wert einer Zeichnung erst seit dem 15.
Jahrhundert allmählich erkannt worden. Zwar galt bereits in der
mittelalterlichen Kunstlehre die Zeichnung als eine Grundlage der Kunst,
aber sie war nur Mittel der Einübung und des Erlernens, kein autonomes
Kunstwerk. Unklar war in der theoretischen Bewertung der Zeichnung im
Verhältnis zur
Malerei,
was grundlegendere Bedeutung hat: die Entwicklung des Bildes aus der
Linie oder aus der Farbe. Überlieferte Zeichnungen aus dieser Zeit sind
Skizzen,
Entwürfe,
Studien und Vorstudien zur Malerei. Dass überhaupt Zeichnungen
überliefert sind, ist dem Umstand zu verdanken, dass diese Zeichnungen
als Geschenkblätter sehr beliebt waren, insbesondere wenn sie von
berühmten Malern stammten oder Vorstudien berühmter Werke waren. An der
grundlegenden Wertung hielt man allerdings fest: Die theoretische
Betrachtung ging von einem Zwei-Stufen-Modell aus, nämlich der
Idee
für ein Bild, wie sie sich in einer skizzierten Zeichnung niederschlägt
und der Ausführung der Idee als der eigentlichen künstlerischen
Leistung. Bedeutende Zeichner wie
Leonardo da Vinci und
Albrecht Dürer
haben in der Zeichnung in erster Linie eine Möglichkeit gesehen, sich
ein Sujet systematisch zu erarbeiten, mit dem Ziel, diese Studien für
die zweite Stufe, die Ausarbeitung etwa in einem Gemälde, zu verwenden.
Als Zwischenschritt von der Idee zur Ausführung galt das
Aquarell,
das in der Kunsttheorie lange Zeit der Zeichnung selbst zu- und
untergeordnet wurde, und zwar als nachträglich kolorierte Zeichnung.
Die Aufwertung der Zeichnung in der Kunsttheorie setzt mit
Federico Zuccaros Überlegungen zum Verhältnis von Idee (concetto) und Zeichnung (designo) (1607) ein. Im Streit zwischen dem
Primat der Linie und dem
Primat der Farbe stellt er sich auf die Seite der
Zeichner. Zuccari vergleicht die Zeichnung mit dem göttlichen Schöpfungsakt. Am Anfang der
Schöpfung
steht die Idee als einer Art innerer Zeichnung (concetto; Konzept).
Dieser geistige Akt äußert sich in der Zeichnung (disegno), die in ihrer
Ursprünglichkeit mit der Idee eins ist. Sie ist die notwendige äußere
Gestalt der Idee. Die weitere künstlerische Ausgestaltung ist dann nur
noch Zugabe und Vollendung. Zuccari nimmt mit seinen Äußerungen Stellung
zu einem zunächst in der akademischen Kunst Italiens geführten Streit,
der aber schon bald in ganz Europa geführt wird. Neben Italien ist ein
Schwerpunkt der Auseinandersetzung Frankreich, wo sich für das Primat
der Linie die sogenannten
Poussinisten einsetzen, für das Primat der Farbe die
Rubenisten.
Der akademische Diskurs mündet in eine allgemeine Anerkennung des
Primats der Linie, mit der Folge, dass in der Zeichenlehre die Zeichnung
zur Grundtechnik erklärt wird. Allerdings gibt es eine Tendenz, die
Zeichnung auf Zeichentechnik zu verkürzen und ihr verstärkt wieder den
Charakter der vorbereitenden Studie und Übung zuzuschreiben. Zugleich
wird die Zeichnung aber auch zunehmend als eigenständiger künstlerischer
Ausdruck anerkannt. Eine breite Sammlerbewegung tut ihr übriges, um die
Zeichnung neben den akademischen Auseinandersetzungen auf dem sich
entwickelnden Kunstmarkt zu etablieren. Es sind vor allen Liebhaber und
Kenner, die im 18. Jahrhundert dem Eigenwert der linearen Darstellung
zum Durchbruch verhelfen. Insbesondere
Pierre-Jean Mariette
betont in seinen Publikationen den besonderen Wert des
Schwarzweiß-Kontrastes ohne Kolorierung. Mariettes Auffassung, der
Strich lasse die Sache erkennen und arbeite damit das Wesentliche einer
bildlichen Darstellung heraus, setzt sich allgemein durch und wird
wegbereitend für die Aufwertung der Zeichnung als eigenständige
Kunstgattung im 20. Jahrhundert.
Unterstützt wird dieser Prozess im 19. Jahrhundert durch die
romantische Entdeckung des ästhetischen Reizes des Fragments. Das
Fragment als das Abgebrochene und Unvollendete wird gerade in der
Zeichnung entdeckt. Es birgt die
genialische
Ursprungsidee, die gerade deshalb fasziniert, weil sie unausgeführt
bleibt. Statt dessen wird in der Zeichnung die Handschrift des Zeichners
sichtbar: Man sieht ihm gewissermaßen bei der Arbeit zu. Bei
Georg Wilhelm Friedrich Hegel wird deshalb die Zeichnung als eine der höchsten Künste angesehen.
Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts bleibt es bei der theoretischen
Unterscheidung von Zeichnung und Malerei. In der akademischen Bewertung
behält die Zeichnung zudem ihren untergeordneten Rang. Die künstlerische
Praxis beginnt sich aber zunehmend von den
normativen Ansprüchen der akademischen
Ästhetik zu lösen. Künstler wie
Paul Cézanne
beginnen damit, das Prinzip der Linie für die Zeichnung anzuzweifeln
und entwickeln Zeichnungen aus farblichen Eindrücken heraus. Die alte
Diskussion zwischen „Zeichnern“ und „Malern“, die nach dem Primat von
Linie oder Farbe für die Malerei gefragt hatten, betrifft nun die
Zeichnung selbst. Sie ist nicht mehr festgelegt auf lineare Darstellung
und reduzierten Farbeinsatz. Die verschiedenen Kunstbewegungen am Anfang
des 20. Jahrhundert nehmen diesen Ansatz auf, so dass die theoretische
Grenze zwischen Malerei und Zeichnung zunehmend verwischt. In der
gegenwärtigen ästhetischen Theorie wird das Fehlen einer Theorie der
Zeichnung beklagt.
Zeichenmaterial
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Verschiedene Zeichenmittel und -geräte |
Zeichengründe
Zeichnungsträger kann grundsätzlich jede Fläche sein, auf der
Zeichenmittel haften oder in die sich Linien einritzen lassen. Das war
in der Höhlenkunst eine Felswand, später Holz-, Ton- und Steinplatten
sowie bis ins Mittelalter hinein Leder und Pergament. In den meisten
Fällen dient heute
Papier als Träger von Zeichnungen. Dazu zählt auch farbiges oder farblich grundiertes Papier sowie
Karton. Künstlerpapiere sind oft schwere Papiere mit deutlicher
Textur, oft handelt es sich um spezielle Aquarell- oder Pastellpapiere oder um handgeschöpftes Papier.
Zeichenmittel
Bei den Zeichenmitteln unterscheidet man zwischen
trockenen und
flüssigen Zeichenmitteln. Zu den trockenen Zeichenmitteln zählen u.a.
Graphit- und Metallminen,
Kohle, verschiedene
Kreiden und
Wachs. Zu den flüssigen Zeichenmitteln gehören
Gallustinte,
Sepia (ein Farbstoff, der im 18. Jahrhundert auch für künstlerische Zwecke nutzbar gemacht wurde) und der aus
Ruß hergestellte
Bister. Zu nennen wäre noch
Tusche, Acryl- und Ölfarben und außer den verschiedenen Aquarellfarben vor allem noch
Deckweiß, das dem
Höhen der Zeichnungen dient. Zum Auftragen vor allem der nassen Zeichenmittel werden verschiedene Zeichengeräte verwendet.
Zeichengeräte
Das am weitesten verbreitete Zeichengerät zum Auftragen trockener Zeichenmittel sind Graphit-,
Blei- und
Rötelstifte unterschiedlicher Härtegrade. Im 15. und 16. Jahrhundert verwendete man vorwiegend
Silberstifte, später auch
Minen aus
Blei.
Heute haben Bleistifte eine Mine aus Graphit, die von einem Holzmantel
umgeben ist. Graphitstifte haben keine Holzummantelung, tragen aber zur
besseren Handhabung einen Überzug aus
Lack oder
Kunststoff. Als Halter der Minen kommen außerdem technische Halter wie Druck- und Drehbleistifte zum Einsatz.
Auch
Kohle und
Conté-Stifte werden häufig in Holzummantelung oder mit speziellen Haltern verwendet, das gleiche gilt für
Pastellkreiden.
Öl- und
Wachskreide wird dagegen oft bloß mit einer Papierummantelung verwendet. Auch hierfür gibt es allerdings spezielle Halter.
Flüssige Zeichenmittel (
Tinten bzw. Tuschen) werden in der Regel mit
Federn oder
Pinseln aufgetragen. Als Federn kommen neben
Bambusfeder- und
Rohrfedern sowie
Kielfedern vor allem
Stahlfedern zum Einsatz. Bei technischen Zeichnungen werden vor allem
Isographen verwendet. Prinzipiell lassen sich auch
Faserstifte verwenden, allerdings sind die darin verwendeten flüssigen Zeichenmittel oft wenig
lichtbeständig. Das gleiche Problem tritt bei
Kugelschreibern,
Füllfederhaltern und
Kalligraphiefüllern zutage, da die verwendeten Tinten in der Regel nicht lichtecht sind und leicht ausbleichen.
Pinsel werden sowohl für das Zeichnen von Linien wie für
Lavierungen,
das heißt für malerische Techniken, verwendet. Meistens handelt es sich
um feine Haarpinsel oder höherwertige Synthetikpinsel bzw. Mischungen
aus beidem. Beliebt für die
Pinselzeichnung sind vor allem sogenannte
Chinesische Pinsel.
Technik
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Beispiel für Linienzeichnung mit Schraffuren und Schattierung ("Schummern") |
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Unterschied: Schraffur und „Schummern“ |
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Tintenzeichnung mit Lavierung |
Die Linie
Grundtechnik der Zeichnung ist das Zeichnen einer Linie. Im reinen
Konturenzeichnen markiert die Linie die Grenzen der Umrisse eines
Gegenstandes und charakteristische Kontraste, wie sie sich zum
Schatten
ergeben. Ohne jede Schattierung lassen sich so die Grundzüge eines
Gegenstandes festhalten, beispielsweise die Umrisse einer Frucht, die
sich von ihrem Hintergrund abgrenzt, und Falten, die ja nichts weiter
sind als kontraststarke Schatten. Auch bei nicht-gegenständlicher
Darstellung ist die Linie das hervorstechende Merkmal, auch wenn in der
modernen Zeichnung die Grenzen nicht immer eindeutig zu ziehen sind.
Geschichte der Linie
Die Linie als das spezifische Charakteristikum der Zeichnung hat
historische Entwicklungen durchlebt: Obgleich die Linie als
individuelles Markenzeichen jedes Zeichners anzusehen ist, gab es in der
Renaissance
einen allgemein anerkannte Linientyp, die „schöne“ Linie, die rund,
schwingend oder kurvig war. Darüber hinaus existierten gerade und starre
Linientypen im Bereich des
architektonischen Zeichnens. Der volle Linienreichtum entstand mit dem
Impressionismus,
weil sich die Beziehung zum beschreibenden Gegenstand lockerte. Eine
„Befreiung der Linie“ hin zur gegenstandslosen Zeichnung erfolgte erst
im 19. Jahrhundert, etwa im Werk von
Honoré Daumier.
Die bis dahin dominante schön-kurvige Linie wurde nun um bisher als
nicht bildwürdig erachtete eckige, sperrige und ruinöse Linientypen
ergänzt. Neue Ausdrucksmöglichkeiten der Linie fanden sich überdies im
Werk von
Paul Klee und der expressiven Zeichnung
Pablo Picassos.
Schraffur
Die
Schraffur
setzt den zeichnerischen Gedanken der Linie in der Fläche fort. Sie
wird eingesetzt, um in der Zeichnung räumliche Effekte und
unterschiedliche
Tonwerte
darzustellen. Dazu werden in gleichmäßigen Abständen dünne Linien in
einem Winkel schräg zur Hauptlinie gezogen. In der reinen Zeichnung ist
es verpönt, dabei die Linien so eng zu ziehen, dass sie verschmieren –
zum Beispiel durch einen schräg gehaltenen Bleistift – weil damit die
Grenze zu Malerei als einem flächigen Arbeiten überschritten wird. Man
nennt das "schummern". Mittlerweile ist aber auch dieses flächige
Arbeiten mit Graphit und Kohlestiften weit verbreitet.
Weitere Abstufungen in den Tonwerten lassen sich durch eine zweite
Schraffur erzeugen, die leicht versetzt über die erste Schraffur gesetzt
wird und deren Linien kreuzt. Man spricht deshalb auch von
Kreuzschraffur.
Mit dem Mittel der Kreuzschraffur lassen sich bei gleichbleibender
Linienstärke viele verschiedenen Schattierungen und Tonwerte erzeugen.
Besondere Bedeutung hat die Kreuzschraffur beim farbigen Arbeiten, weil
durch verschiedenfarbige Schraffuren neue
Farben erzeugt werden können.
Lavieren
Die Lavierung kommt bei flüssigen Zeichenmitteln als Technik zur
Schattierung und Tönung zum Einsatz. Das klassische Einsatzgebiet ist
das Lavieren von Tuschezeichnungen. Dazu wird die fertige
Linienzeichnung durch stark verdünnte, wasserlösliche Tusche getönt. Wie
beim
Aquarell,
von dem diese Technik übernommen wurde, arbeitet man von hellen zu
dunklen Tönungen. Die Nähe von Aquarellmalerei und Zeichnung wird auch
darin sichtbar, dass Zeichnung mit Hilfe von Aquarellfarben farblich
eingetönt werden – entweder monochrom oder mit mehreren Farben. Zwar
kommen in der Praxis zuweilen auch andere Farben zum Einsatz, aber
Aquarellfarben und wasserlösliche Tinten eignen sich vor allem deshalb,
weil sie
transparent oder zumindest nur teilweise
opak sind und dadurch den Eindruck vermeiden, bloß nachträgliche Eintönungen bzw. -färbungen zu sein.
Kombinierte Techniken
Viele Künstler überschreiten die Grenzen, die bestimmten
Zeichentechniken gesetzt sind, indem sie unterschiedliche Zeichen- und
Maltechniken miteinander kombinieren. Klassische Beispiele sind
kombinierte Graphit- und Tuschezeichnungen, mit Tusche lavierte
Bleistiftzeichnungen oder Tusche- und Bleistiftzeichnungen mit
Aquarelltechniken. Auch das Höhen, also das Setzen von Glanzlichtern
durch den Einsatz von Deckweiß gehört zu den klassischen Methoden.
Je stärker die Grenzen zwischen Malerei und Zeichnung verwischt
wurden, desto stärker kamen auch flächige Malmethoden zum Einsatz. Dazu
gehört zum Beispiel das
Schattieren mit Hilfe des „
Schummerns“.
Schummern
heißt, mit einem Graphit- oder Kohlestift großflächig vermalen, statt
zu schraffieren. Auch das nachträgliche Verwischen mit dem Finger oder
einem speziellen Wischer (
Estompes) oder das
Polieren
mit einem weißen Stift bzw. einem Polierstift gehören dazu. Umgekehrt
werden in der Malerei ursprünglich klassische Zeichenmethoden
eingesetzt, und zwar nicht nur als Vorskizze, sondern bereits als
Ausführung. In der Aquarellmalerei kommt häufig die
Pinselzeichnung zum Einsatz.
Weitere Beispiele für kombinierte Techniken sind die
Collage,
Sgraffito und verschiedene Nasspinseltechniken.
Herausragende Zeichner der Kunstgeschichte
Literatur
- An Introduction to Linear Drawing
- F. W. Bernstein: Bernsteins Buch der Zeichnerei.
1989. Ein Lehr-, Lust-, Sach- und Fach-Buch sondergleichen. Hg. von F.
W. Bernstein unter editorischer Mitwirkung von Pedro Zimmermann. Zürich
(Haffmans)
- Betty Edwards: Das neue Garantiert zeichnen lernen, Rowohlt 2000, ISBN 3-498-01669-5.
- Heribert Hutter: Die Handzeichnung. Entwicklung, Technik, Material. Schroll-Verlag, Wien und München 1966.
- Ferenc Jádi: Von der Zeichnung. 1998, ISBN 3-932865-04-9
- Walter Koschatzky: Die Kunst der Zeichnung. dtv 1981, ISBN 3-423-02867-X
- Terisio Pignatti: Die Geschichte der Zeichnung. Von den Ursprüngen bis heute. Belser-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7630-2451-4
- Franco Russoli: Meisterzeichnungen des 20. Jahrhunderts, Schuler Verlag, München 1975, ISBN 3-7796-5044-4
- Maurice und Arlette Sèrullaz: Französische Meisterzeichnungen des 19. Jahrhunderts, Schuler Verlag, München 1975, ISBN 3-7796-5060-6
- Deutsche Zeichnungen vom Mittelalter bis zum Barock, Bestandskatalog, Hrsg. Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-1910-0
- Dieter Brembs: Die Kunst-Akademie. Faszination Linie. Zeichnung neu erleben. Englisch Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-8241-1300-2
- Georg Kaspar Nagler: Die Monogrammisten
und diejenigen bekannten und unbekannten Künstler aller Schulen, welche
sich zur Bezeichnung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens, der Initialen des Namens, der Abbreviatur desselben &c. bedient haben. Mit Berücksichtigung von Buchdruckerzeichen, der Stempel von Kunstsammlern, der Stempel der alten Gold- und Silberschmiede, der Majolicafabriken, Porcellan-Manufacturen u.s.w. Nachrichten über Maler, Zeichner, Bildhauer, Architekten, Kupferstecher, Formschneider, Briefmaler, Lithographen, Stempelschneider, Emailleure, Goldschmiede, Niello-, Metall- und Elfenbein-Arbeiter, Graveure, Waffenschmiede u.s.w. Mit den rasonirenden Verzeichnissen der Werke anonymer Meister,
deren Zeichen gegeben sind, und der Hinweisung auf die mit Monogrammen
oder Initialen bezeichneten Produkte bekannter Künstler ... auch
Ergänzung ... des Neuen allgemeinen Künstler-Lexicons, und Supplement zu den bekannten Werken von A. Bartsch, Robert-Dumesnil, C. le Blanc, F. Brulliot, J. Heller u.s.w.
- Erster Band, München: Georg Franz, 1858
- auch als Nachdruck ab 1991 erhältlich[1]
Siehe auch
Weblinks
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